Es war Advent. Ein Tag vor Nikolaus. Die Mutter Maria backte Plätzchen und hielt Hausputz und es musste noch einiges erledigt werden, bevor dann am Samstagabend die zwei kleinen Mädchen, Petra und Margareta, zum Nikolaus gehen konnten. Dieses Jahr sollte der Nikolaus zum Jupp (Gasthaus zur Post) in den Saal kommen. Die Mädchen waren schon ganz aufgeregt und fragten sich, was wohl der Nikolaus diesmal in dem großen Buch über sie aufgeschrieben hatte. Weil die Mutter keine Zeit hatte, schickte sie den Vater, damit dieser mit den Mädchen nach Hermeskeil fuhr, um noch ein paar Sachen zu erledigen.
"Nimm die Mädchen und dann fährst du nach Hermeskeil. Ihr müsst zuerst zu den Lampengretchen gehen und eine neue Glühbirne für ins Kellertreppenhaus kaufen, weil die alte Birne heute Vormittag kaputt ging. Und dann müsst ihr die Sprechpuppe von der Kleinen zu Berens tragen. Beim Spielen wurde der Arm herausgerissen und dann gebt ihr die Puppe bei Berens im Geschäft ab, die reparieren das. Bestimmt könnt ihr auf die Puppe warten. Wenn es länger dauert gehst du in der Zwischenzeit zum Friseur. Die Beiden müssen für Nikolaustag noch ein wenig die Haare geschnitten bekommen."
"Oh, je. Das soll ich alles noch heute mit den Mädchen erledigen? Da bin ich ja den ganzen Tag in Hermeskeil. Ich wollte doch noch den Lattenzaun reparieren", entgegnete der Vater.
"Wenn ihr euch beeilt, seit ihr auch schnell fertig. Jetzt fahrt, damit ihr wieder schnell zurück seid. Dann kannst du immer noch nach dem Zaun schauen", meinte die Mutter.
Nun ja, was wollte der Vater machen. Nichts. Also fuhr er mit den zwei Mädchen und der defekten Sprechpuppe los.
In Hermeskeil angekommen, gingen sie zuerst zu den Lampengretchen, oder wie man auch sagte, zu den "Elektrischen Tapeten". Im Geschäft konnte man Elektrosachen und Tapeten einkaufen. Schnell liefen sie hinterm Buchladen Lohmer durch die schmale Gasse und waren schon bei den "Elektrischen Tapeten" und kauften die Birne für ins Treppenhaus. Auf der anderen Straßenseite befand sich das Spielwarengeschäft Berens. Hierhin trugen sie schnell die Sprechpuppe mit dem defekten Arm. Dieser konnte zum Glück gleich repariert werden und so gingen sie weiter. Der Vater überlegte, was noch zu erledigen wäre. Dann fiel es ihm ein. Der Friseur.
Also los zum Friseur. Die zwei kleinen Mädchen gingen brav hinter ihrem Vater her. Es kam ihnen zwar komisch vor, wohin der Vater mit ihnen ging, aber sie dachten sich, dass das schon so richtig sei. Nun kamen sie in der Koblenzer Straße an und gingen in einen Friseurladen. Dahin waren die zwei Mädchen mit ihrer Mutter noch nie gegangen. Sie gingen immer an die Kreuzung zur Annemie, das kannten sie. Aber hier.
Dann sagte der Vater: "Ei guten Tag. Die zwei Kleinen sollen etwas die Haare geschnitten bekommen, hat meine Frau gesagt."
"Dann setzt euch mal hier auf die zwei Stühle, ich komme direkt. Was schaut ihr so erschrocken. Ihr braucht keine Angst zu haben, ich schneide euch nur die Haare, ich fresse keine kleinen Mädchen", lachte der Friseur, so ein kleiner etwas korpulenter Mann mit Glatze.
Die Mädchen trauten sich nicht, den Mund aufzumachen. Still blieben sie sitzen. Und dann ging es los. Mit so einer Haarschneidemaschine fegte der kleine Friseur über die Köpfe der Mädchen. So etwas gab es bei der
Annemie nicht. Ziepte mal hier und da und schnipp, schnapp, noch etwas mit der Schere um die Ohren geschnippelt und dann waren sie fertig. Einen Spiegel, um sich anzuschauen, so wie das immer bei der Annemie war, hielt er den Mädchen auch nicht hin. Egal, der Vater war froh, alles erledigt zu haben und fuhr mit den zwei Mädchen heim, weil er ja noch am dem Zaun arbeiten wollte.
Zuhause angekommen gingen die Mädchen zur Mutter in die Küche. Der Vater ging zu seinem Zaun. Ach herrje, was war jetzt!
"Ach um Himmels willen, wie seht ihr denn aus!", schrie die Mutter. "Wo wart ihr?" "Ei mit dem Papa bei so einem komischen Friseur, nicht zur Annemie, wo wir immer hin gehen", sagt Petra.
Schon schrie die Mutter aus dem Küchenfenster:" Walter, komm mal sofort rein, wo warst du mit den Mädchen?"
"Ei beim Braun, beim Friseur. Du hast doch gesagt, das die noch für den Nikolaustag bisschen die Haare geschnitten haben müssen", sagt der Vater.
"Aber doch nicht vom Braun, vom Herrenfriseur, der nur den Männer die Köpfe verremmelt. Bei dir mit deinem Paterkränzchen auf dem Kopf ist ja nicht mehr viel zu verderben, aber schau dir mal die Mädchen an. So können die doch nicht unter die Leute gehen. Als hätten die Mäuse an ihnen gefressen", rief entsetzt die Mutter.
Der Vater zuckte nur mit den Schultern und ging seiner Wege. Dann sagte er:"Am besten gehst du das nächste Mal noch mal selbst mit ihnen zum Friseur, dir kann man ja nichts recht machen", und weg war er.
Jetzt mussten sich die zwei Mädchen mal im Spiegel ansehen. Ach du liebe Zeit. Wie sahen sie aus. Die schönen Haare. Petra, das größere Mädchen, hatte dicke, schwarze Haare und nun sah das aus, als ständen Drahtnägel aus dem Kopf. Das kleinere Mädchen, Margareta, hatte blonde, zarte Haare, die sahen zwar auch aus, als hätten die Mäuse dran geknabbert, aber sie standen wenigstens nicht so ab wie Drahtnägel.
Die Kinder heulten Rotz und Wasser. Die Mutter versuchte sie zu trösten und meine: "Die wachsen ja schnell wieder nach. Euren Vater kann man auch nicht beauftragen. Aber was machen wir jetzt? Morgen Abend sollt ihr doch zum Nikolaus? Und die ganzen Leute sind im Saal. Oh je. Dann zieht ihr einfach Mützen an."
"Wir können doch nicht mit Mützen auf dem Kopf zum Nikolaus", heulte Petra. "Nein, ich geh nicht mit Mütze", weinte auch Margareta. "Niemand trägt im Saal eine Mütze."
Es nutzte alles nichts. Der Abend kam ohne Mützen und ging Gott sei Dank auch rum. Keiner sagte etwas zu dem Mädchen. Manche schauten etwas komisch, aber das war`s. Auch der Nikolaus meinte nichts zu den Frisuren. Was für ein Glück.
Aber wochenlang, nein monatelang, trugen die Mädchen, wenn sie vor die Türe gingen eine Mütze oder ein Kopftuch auf dem Kopf. Nicht wegen der Kälte, nein, wegen dem tollen Fassonschnitt vom Braun.
Man schickt auch am besten keinen Halbglatzigen zu einem Ganzglatzigen zum Haareschneiden. Wenn es um sie selber geht schon, aber nicht mit Kindern, die noch Haarpracht haben. Was soll da schon dabei herauskommen!
©Margareta Bouillon-Adams, Damflos